McDomus [2012]

McDomus im Hof der Ludwiggalerie

McDomus ist eine Skulptur von Agnieszka Wnuczak und Christoph Stark im Rahmen der Ausstellung "at home" der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen. Ein Container von 38m³ mit entsorgten Wohlstandsmüll, wie er jeden Tag als Sperrmüll auf den Straßen der Stadt zu finden ist, steht nun bis zum 16. September 2012 im Hof des Schlosses Oberhausen. Ganz in gelb, weil gelb die Farbe des schnellen Konsums ist, der großen Ketten und Möbelhersteller, deren Produkte eine Halbwertszeit haben von 1 Std (Fastfood) bis zu durchschnittlich 5 Jahren (Möbel).

Maße: 6,90 [l] x 2,35 [b] x 4,55 [h]

.Es sei an dieser Stelle gedankt: Nina Dunkmann - der Kuratorin der Ausstellung für die Einladung, Containerdienst HESSE aus Oberhausen für die Leihgabe des Containers und den Transport, und schließlich allen, die uns beim Aufbau der Skulptur geholfen haben - Guido, Michael, Luana und Marzio!

McDomus is a sculpture of Agnieszka Wnuczak and Christoph Stark created for the exhibition «At Home» in Gallery Ludwig within the Castle of Oberhausen. A container, full of every-day rubbish of our wealthy society, can be found right in front of the gallery until September 16th 2012. All in yellow, as yellow is the colour of quick consumption, of big chains and of huge producers of furniture. All of their products have a half-life period of 1 hour (fast food) to estimated 5 years (furniture).

Size 6,90 (l) x 2,35 (w) x 4,55 (h)

We would like to thank Nina Dunkmann, the curator of the exhibition, for inviting us, Containerservice HESSE from Oberhausen for the container and everyone who helped building the sculpture- Guido, Michael, Luana and Marzio!


„Ist das Kunst oder kann das wech?“ Wir befinden uns sowohl in einer Überfluss- als auch einer daraus resultierenden Wegwerfgesellschaft. Die vorherige Generation hatte oft jahrelang auf Möbel gespart, um diese dann ein Leben lang zu behalten. Vor dem gelbem Quader stehend, stellt man sich Fragen wie: Was ist mir lieb und teuer? Welche Dinge benötige ich zum Leben und was ist überflüssig? Während man im Haus die „Liebsten Stücke“ aus den Wohnungen des Ruhrgebiets begutachten kann, wird hier, höchst intelligent, Sperrmüll wieder zur Kunst. Das ist im besten Sinne Recycling, denn die Skulptur arbeitet weiter. Was der „Ruhri“ auf den Müll geschmissen hatte möchte er nun zurück: Die Galerie erhielt schon einzelne Anfragen, ob die gelben „Designerstücke“ nach der Ausstellung verkäuflich seien.
Wer die Arbeiten von kitev kennt, weiß, sie machen aus allem eine Performance. So warten wir gespannt auf die Finissage, bei der man dann vielleicht auch endlich mal einen Blick in den großen Container hinein werfen darf… (Nina Dunkmann, Kuratorin)

* Industriegesellschaft * Postindustrielle Gesellschaft * Informationsgesellschaft * Erlebnisgesellschaft *
* Netzwerkgesellschaft * Dienstleistungsgesellschaft * Leistungsgesellschaft * Freizeitgesellschaft *
* Wohlstandsgesellschaft * Konsumgesellschaft * Überflussgesellschaft * Spaßgesellschaft *
* Wegwerfgesellschaft *


Die Grenzen des Recycling

von Bernhard Kathan

Nach den Demonstrationen zum Tag der Arbeit, die am 1. Mai 1972 auf dem Karl Marx-Platz im damaligen West-Berlin stattfanden, fegte Joseph Beuys, unterstützt von einem afrikanischen und einem koreanischen Studenten, jene Abfälle zusammen, welche die Demonstranten hinterlassen hatten. Der damals zusammengekehrte Müll befindet sich heute in einer etwa zwei Meter langen, von Beuys entworfenen Vitrine. Neben einem Straßenkehrerbesen ist nichts als Kehricht zu sehen, Schmutz, weggeworfene Zigarettenkippen, Dosen, Flaschen, Zeitungspapier etc.
Abgesehen von der politischen Intention des Projektes, macht diese Vitrine deutlich, dass sich Straßenabfälle in den letzten 40 Jahren grundlegend gewandelt haben. Aludosen waren 1972 noch selten, Verpackungen aus dem Fast-Food-Bereich gab es noch nicht. Der Kunststoffanteil war wesentlich geringer.
...

Bis in unsere Zeit haben viele Dinge des täglichen Gebrauchs manchmal Generationen überdauert. Sie wurden von der Mutter auf die Tochter, von dieser auf ihre Tochter, vom Vater auf den Sohn weitergegeben. So waren all diese Dinge wichtige, beredte Objekte der Tradierung, die einen nicht vergessen ließen, dass man selbst nur Besucher oder Gast auf dieser Welt ist.

Wir dagegen umgeben uns mit Dingen, deren Halbwertszeit in der Regel nicht einmal ausreicht, ihre Gebrauchsanleitung zu Ende zu lesen. Wirtschaftswachstum, so es überhaupt noch möglich ist, verdankt sich zu einem wesentlichen Teil einer immer kürzeren Lebenszeit von Gebrauchsgütern. Die meisten Produkte kennen bezüglich ihrer Lebensdauer Sollbruchstellen, die ihre Entsorgung nach einer gewissen Zeit erzwingen. Man denke an Waschmaschinen oder Autos. Entspricht die vor Monaten gekaufte nicht mehr der neuesten Mode, wird man zu neuer Kleidung gezwungen. Computer sind nach kürzester Zeit nicht mehr kompatibel. Kaum haben wir uns eines dieser Geräte gekauft, werden wir daran erinnert, dass es bessere Modelle oder neuere Programme gibt.
...

Otto Wendts Familienlexikon [von 1863] kennen nur wenige. Dabei finden sich darin kluge essayistische Texte. Im Eintrag zur Wiederverwertung von Abfällen klingt bei Wendt noch an, dass Produkte so etwas wie Geschichte in sich tragen: "Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, daß einiges von der Wolle in dem heurigen Balzarinekleid einer Dame einen Theil von ihres Mannes vorjährigem Oberrock bildete."

In der heutigen Hygienekultur steht das Schöne und Saubere nicht länger im Verdacht, nur eine andere Erscheinungsform des Schmutzes, das Wohlriechende nur eine Wandlung von Gestank zu sein. Wir kennen die Angst nicht mehr, künstlich hergestellte Dinge könnten Geschichte besitzen.
Die zunehmend kürzere Lebensdauer von Dingen des alltäglichen Gebrauchs wirkt auf die Benutzer zurück, die trotz einer Lebenserwartung, von der vor hundert Jahren noch niemand zu träumen gewagt hätte, vom Gefühl geprägt sind, das Leben zerrinne zwischen den Fingern.
Pier Paolo Pasolini meinte, dass eine Gesellschaft, in der Dinge des täglichen Lebens so leichtfertig in Abfall verwandelt würden, das Leben selbst entwerte. Nicht viel anders Günther Anders, der von "Liquidationsschlacke" sprach, die keinen Unterschied zwischen Menschen und Konsumgütern kenne. Der Überfluss an Dingen führt zu ihrer konsequenten Entwertung, genau genommen zu einer Entwertung der Arbeit, letztlich des Menschen selbst. Es erstaunt nicht, dass viele der heute Lebenden die Grundangst kennen, überflüssig zu sein, umgeben wir uns doch mit Dingen, die überflüssig sind.
...

Mythos der Ökonomie
"Kreislaufwirtschaft" lebt von der Vorstellung, dass eingesetzte Rohstoffe nach dem Verbrauch einer Ware wieder in den Produktionsprozess zurück gelangen. Solchen Bemühungen sind jedoch Grenzen gesetzt. Recycling kommt deshalb einer Entschuldigung gleich. Es gibt uns das trügerische Gefühl, folgenlos verschwenden zu können. Die behauptete Kreislaufwirtschaft zählt zu den zentralen Mythen einer Ökonomie, deren Funktionieren stetes Wachstum zur Voraussetzung hat.
Mythen verkehren das eigentliche Problem in ein Versprechen, besonders erfolgreich dann, wenn sie einen realen Kern haben. Der Anteil recycelter Abfälle in Rohstoffen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen und wird sich dank neuer technologischer Möglichkeiten auch weiterhin steigern lassen. Aber ein wirklich geschlossener Kreislauf wird auch in Zukunft undenkbar sein.
...

Bernhard Kathan, geboren 1953, lebt als Sozialwissenschafter, Publizist und Künstler in Innsbruck. www.hiddenmuseum.net

Der vollständige Artikel ist in der Wiener Zeitung am 27.4.2012 erschienen und kann hier in voller Länge nachgelesen werden.

Vimeo-Videos erlauben

McDomus von Ateliers Stark [2012] from kitev on Vimeo.

--> siehe auch heimatPOTTential: eine pott-echte Liebeserklärung

lokalkompass: das Foto des Monats :)